Wie geht Lernen, so dass Bildung daraus wird?

Verfasst von: Bernhard Chiquet

Vorbemerkung
Ich verwende in diesem Text den Begriff der ästhetischen Erfahrung pragmatisch, d. h. so, wie ich ihn in meinem praktischen Alltag als Kunstpädagoge verwende. Mei-ne Definition deckt sich dabei in etwa mit den von Georg Peez umschriebenen "Struk-turelementen". (Peez, 2003) In meiner Tätigkeit als Fachdidaktiker, d. h. im Unterricht mit Studentinnen und Studenten des "Lehramtes für Gestaltung und Kunst" kommen komplexere Vorstellungen zur Sprache, was ästhetische Erfahrungen sind oder sein könnten, schon allein weil die StudentInnen noch ganz von ihrer drei- bis fünfjährigen künstlerischen Tätigkeit an der Hochschule für Gestaltung und Kunst erfüllt sind. Während der Arbeit an diesem Text habe ich den Vortrag "Kunstpädagogik und Ästhetische Erfahrung" von Andrea Sabisch gelesen und kann die Spitzen gegen Peez darin durchaus nachvollziehen. Ich hatte im Rahmen meiner Zeit nicht die Möglichkeit, meine hier vorgestellten Arbeiten an Sabischs Konzept Pathos - Diastase - Response zu messen, obwohl ich das sehr gerne gemacht hätte. Vielleicht gibt das einmal eine Übungsaufgabe für meine StudentInnen?

"Wie geht Kunst?", fragen Eva Voermanek und Silke Wissmann in ihrer Untersu-chung über "künstlerische Prozesse bei SchülerInnen und LehrerInnen" (Kassel, University Press 2004). Ich möchte diese Frage für meinen Kontext aufnehmen und sie einrahmen durch die Fragen: "Wie geht ästhetische Erfahrung? und: "Wie geht Lernen, so dass Bildung daraus wird?"
An je einem Unterrichtsbeispiel - alle aus der Arbeit mit derselben Klasse über drei Jahre - werde ich reflexiv untersuchen, ob ich zur Beantwortung dieser Fragen beigetragen habe. Es handelt sich um die Klasse 1a - 3a (5. - 7. Schuljahr, 2004 - 2007) der Orientierungsschule Drei Linden in Basel. Sie hatte als "Schwerpunktklasse Kunst und Gestaltung" vier Lektionen pro Woche Kunstunterricht. Die hier besprochenen Beispiele sind mit weiteren Unterrichtsbeispielen publiziert auf der Plattform M@L - ein Marktplatz für ausserschulisches Lernen (www.mal.ch - Stichwort "Klassenschwerpunkt Kunst und Gestaltung")

In Ihren Untersuchungen gehen Eva Voermanek und Silke Wissmann von einem Kunstbegriff aus, der sich an Readymade, Performance und Kontextkunst orientiert und "Wirklichkeit als Material" begreift. In meinem ersten Beispiel "Bei uns zu Besuch" wird Wirklichkeit auch als Material begriffen. Wie von den beiden Autorinnen gefordert, "ging der (Kunst-)Unterricht von den individuellen Anlässen aus, die die SchülerInnen in den Unterricht mitbringen." Allerdings hiess mein Unterricht nicht "Kunstunterricht", weder für mich noch die Klasse. Die Arbeit an "Bei uns zu Besuch" mäanderte quer durch den Deutsch- und den Kunstunterricht; ich konnte dabei ziemlich frei entscheiden, welche Lektionen ich wofür verwendete, da ich die SchülerInnen auch in Deutsch unterrichtete. "Bei uns zu Besuch" betrachtete ich als eine Art Kennenlern-Arbeit und vor allem auch als Propädeutik für die kommenden Begegnungen mit Gegenwartskunst.

1. Beispiel: "Bei uns zu Besuch"

"Wer hier fremd ist, bestimme ich!" (B. Chiquet, Titel eines Projekts mit einer DMS-Klasse 1995 und eines LehrerInnen-Weiterbildungskurses 2004)

Bei der Arbeit "Bei uns zu Besuch" war die Spielanlage einfach:
1. Ich aktivierte in einer kurzen Ansprache die Erfahrungen der Kinder, die sie alle schon mit "Besuch" gemacht hatten. Ich erinnerte sie daran, dass dabei spezielle Räume und Objekte in der Wohnung eine Rolle spielen, dass Stimmungen wie Vorfreude, Festlichkeit, Anspannung usw. aufkommen könnten. Die SchülerInnen ergänzten und kamen dabei schon ins Erzählen.
2. Die SchülerInnen bekamen jedeR einen digitalen Fotoapparat für einen Tag nach Hause (wir konnten acht Stück beim Dienst für technische Unterrichtsmittel ausleihen). Der Auftrag war: bringe maximal drei Fotos von zu Hause mit, die für dich das Thema zeigen: "Bei uns zu Besuch". Später wird dazu ein sehr kurzer Text (1 - 2 Sätze) kommen.
3. Die SchülerInnen wählten das beste oder treffendste Bild aus und es wurde ihnen gezeigt, wie man es in die Folie einer elektronischen Präsentation einfügt. JedeR schrieb einen oder zwei Sätze zu ihrem Bild. Diese "mussten nichts erklären, was man schon auf dem Bild sah".
4. Die Sätze wurden so eingefügt und animiert, dass die Bilder zuerst ohne Worte er-schienen und sich die Texte nachher darüber legten. Wir richteten die Animation so ein, dass sie automatisch als Loop lief. Die Präsentation war für uns, d.h. für das Klassenzimmer gedacht. Auf Anfrage waren dann aber alle bereit, die Wirkung im Schulkorridor zu testen und dort für ein paar Tage einen Monitor einzurichten. Viele SchülerInnen und Lehrer blieben davor stehen, schauten, lachten und tauschten eigene Erfahrungen mit Besuch aus.

Da ich die Arbeit mit der Klasse erst kurz vorher begonnen hatte (1. Orientierungsschule, 5. Schuljahr), ging es mir bei dieser Arbeit nebenher auch darum, etwas von den SchülerInnen zu erfahren. Ich hatte ganz zu Beginn meiner Arbeit an der Volksschule ab und zu Hausbesuche gemacht und dabei gemerkt, dass der Besuch der Familie in ihrer Wohnumgebung für mich eine nachhaltige ästhetische Erfahrung bedeutet, welche zu einem erweiterten Bild des Schülers oder der Schülerin führt. Meine Erinnerungen an diese von mir zu Hause besuchten Kinder und Jugendlichen sind von einer andern, tieferen Qualität bis heute.
Wichtig war mir bei dieser Arbeit aber auch, dass die Schüler einen neuen, "fremden" Blick auf einen kleinen Ausschnitt ihres Zuhauses werfen, über diesen nachdenken und ihn in eine mitteilbare Form bringen. Dabei sollte es nicht darum gehen, Privates auszustellen und zu zerreden. Mit dem Thema "Bei uns zu Besuch" war angegeben, dass dieser Ort des Austauschs zwischen der Familie und dem Andern gemeint war, den die Familie begrenzt und definiert, an dem sie sich so zeigt, wie sie es selber will. Die Reaktionen der Kinder zeigten, dass sie sich dieses Umstands sehr wohl bewusst waren. Nur ganz wenige liessen den fiktiven Besuch (und damit die Betrachter ihrer Arbeit) in ihr eigenes Zimmer.
Ich betrachte diese Arbeit im Rückblick als "einfache Anstiftung" zu ästhetischer Erfahrung. Einfach, weil sie ein sehr ansprechendes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag mit sich brachte. Einfach auch, weil die Begegnung mit Differenz hier an der gewohnten Lebenswelt der SchülerInnen anknüpft und nur gerade ein paar Schritte darüber hinaus führen will. Zum Ertrag gehörten viele Gespräche über genaue Beobachtungen der Kinder, denen ich entnahm, dass die Verfremdung des Alltäglichen, der "kleine Schock" gelungen war und dadurch "frischfremde Blicke" auf sich und andere(s) möglich wurden, welche nach meinem Verständnis die Voraussetzung bilden für jede ästhetische Erfahrung. Diese Intervention war nicht spezifisch auf die Auseinandersetzung mit Kunst ausgerichtet, sondern fast stärker auf eine soziale Entwicklung im Umgang mit Differenzen. Ich erhoffte mir dadurch aber auch eine erste Öffnung gegenüber kommenden Begegnungen mit künstlerischen Werken und künstlerischen Verfahren der Gegenwart. Dass ich dabei von einem ähnlichen Kunstbegriff ausging wie Voermanek und Wissman (Readymade, Performance, Kontextkunst, "Wirklichkeit als Material"), ist offensichtlich.

2. Beispiel: Rezeptive und produktive Auseinandersetzung mit Donald Judd

- "den Eigenarten künstlerischen Handelns und den damit verbundenen Sichtweisen und Erfahrungen Anderer gewahr (zu) werden, diese tolerieren lernen und zu eigenen Sichtweisen und Erfahrungen in Beziehung (zu) setzen." (Eva Voermanek und Silke Wissmann in ihrer Untersuchung über "künstlerische Prozesse bei SchülerInnen und LehrerInnen" (Kassel, University Press 2004).

Weil nun aber eine Handlung oder ein Wille nur dann frei ist, wenn er ohne Nötigung eines Zweckes "sich nach blosser Form bestimmen kann, ...so ist diejenige Form in der Sinnenwelt, die bloss durch sich selbst bestimmt erscheint, eine Darstellung der Freiheit" (Schiller 1974, S. 24, zitiert in: W. Legler, "...weil es die Schönheit ist..", BDK-Mitteilungen, 3/95)

"Die Form und die Farbe sollen intelligent sein - ohne geordnet zu sein" (Donald Judd, in einer Notiz 1965)

Von Donald Judd kann man ja nun weder behaupten, dass er Readymades zu Kunstobjekten adelte, noch dass er sich in Performances ausdrückte. Nicht einmal die Veränderung vorgefundener Kontexte interessierte ihn besonders, wenn man von der musealen Umnutzung eines von ihm aufgekauften Militärkomplexes absieht. Er verwendete "Wirklichkeit als Material", aber in welch anderem Sinn als zum Beispiel Sophie Calle! Viel besser passt auf ihn die Umkehrung: "Er schuf Wirklichkeit aus Material". Seine Formen sind "bloss durch sich selbst bestimmt, Darstellungen der Freiheit" (frei nach Schiller).
Unter "Kunst" soll hier also die Kunst der Gegenwart verstanden werden, inklusive ihrer direkten Wurzeln in der Kunst der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Ich gehe mit der Bemerkung Peter J. Schneemanns einig, "dass die Kunstpädagogik nur im kritischen Dialog mit der aktuellen Kunst der Gegenwart ihre Relevanz entwi-ckeln kann." (in seinen Vorbemerkungen zum Modul "Kunst lehren? ...Uni Bern 2008) Nur dort ist die Frage: "Wie geht Kunst?" in dieser Form, die einen naivverblüfften Anfänger als Frager suggeriert, wirklich authentisch. Bei der Auseinandersetzung mit der aktuellen Gegenwartskunst fehlen historische Distanz ebenso wie die davon erhofften sicheren Einordnungen; es fehlt auch noch die Einigkeit unter den Experten, zumindest aber die Bestätigung von Werturteilen durch vieltausendfache Wiederholung. Nur in der Gegenwartskunst wirft einen die Begegnung mit den Werken so radikal auf sich selbst zurück.
Ich möchte also für meinen Begriff von Gegenwartskunst auch die Minimal Art, Landart und Popart, die Situationisten dazunehmen. Und ich möchte mir herausnehmen, ab und zu auch noch weiter auszugreifen.
Von Oktober 2004 bis Januar 2005 fand im Kunstmuseum und im Museum für Gegenwartskunst in Basel eine grosse Ausstellung von Werken des amerikanischen Künstlers Donald Judd statt. Das erste Jahr mit meiner Schwerpunktklasse neigte sich dem Ende zu. Weil wir vier Lektionen Bildnerisches Gestalten und Kunst pro Woche im Pensum hatten, war ein Besuch im Museum nicht allzu schwierig zu organisieren. Nur: wie erklärt man 22 Elfjährigen das minimalistische Werk Judds?
Judd war mir seit meiner Ausbildung immer nahe gewesen, obwohl ich mich nie sehr eingehend mit ihm beschäftigt hatte und eigentlich nicht wusste, woran diese Affinität lag. Ich hatte vor dieser Ausstellung noch nie so viele Werke von ihm auf einmal gesehen. Die Besichtigung - schon mit der Absicht, der Klasse dasselbe zuzumuten - machte deshalb einen starken Eindruck auf mich. Die Wiederholung und Bestätigung durch Variation von Motiven und Ideen liess mich Muster erkennen. Zum ersten Mal wurde mir so deutlich bewusst, dass es in den Reihen fast immer eine "Falle" gibt, ein meist unscheinbares Element der Verstörung von Erwartungen. Da Judd selbst diese Erwartungen durch die Anordnung und Beschaffenheit der Elemente geweckt hatte, kamen mir die Werke jetzt vor wie Melodien, in denen Synkopen oder Dissonanzen auf dem Hintergrund von Harmonie und mit Hilfe der Erwartung von deren Fortsetzung ihre Wirkungsmacht entfalten. Die Regel hinter der Reihung ist oft scheinbar augenfällig, beim Nachrechnen zeigt sie sich dann verwirrend oder gar offensichtlich durchkreuzt. Schlitzohrig wirkt da natürlich Judds Notiz (s. o.), dass "Farbe und Form intelligent sein sollen - ohne geordnet zu sein"! Sehr augenfällig wurde mir in der Ausstellung auch seine Behandlung von Farbe und Materialqualität. So entdeckte ich zum Beispiel erst hier, wie dominant sich das Motiv der Reflexion farbiger Flächen durch sein Werk zieht. Eher bestätigt wurde mein früherer Eindruck, dass Judd handwerkliche Techniken bevorzugt, die an die Fertigung von Gebrauchsgegenständen erinnern: von "Profis" hergestellt; ohne Pfusch, aber auch ohne auffällige "Designqualität"; wie "gemacht von der seriösesten Handwerkerbude in deiner Nachbarschaft". Lange Zeit bevorzugte Judd als Bezeichnung für seine Objekte den bewusst nichts sagenden Ausdruck: "specific objects" - spezifische oder: spezielle Dinge. Die Ausstellung wirkte auf mich beschwingend; sie weckte in mir Lust zu arbeiten. Damals kam mir als Schlüsselbegriff in den Sinn: "gestalterische Willkür", allerdings rein positiv gedacht als "Kür" eines "Willens", als freie Wahl oder Spiel eines starken Imaginationsvermögens und Umsetzungswillens. Noch genauer trifft es das eingangs zitierte Wort von Schiller: ...so ist diejenige Form in der Sinnenwelt, die bloss durch sich selbst bestimmt erscheint, eine Darstellung der Freiheit".
Ich plante für meine Klasse eine Unterrichtseinheit, die aus vier Teilen bestehen sollte: einer kurzen Einführung im Schulhaus, dem Ausstellungsbesuch, sowie zwei nachfolgenden gestalterischen Arbeiten. Als Einführung diente eine kleine Auswahl von Reproduktionen mit Werken des Künstlers, ein paar wenige Informationen zu seinem Leben und Werk, sowie ein einfacher Satz zur Konzeptkunst (bezogen auf Judd), der eine Verdichtung der im Unterrichtsgespräch gemachten Äusserungen von SchülerInnen zu den Reproduktionen darstellte:
In der minimal art, oder Konzeptkunst, geht es um das Sichtbarmachen von Ideen und Ordnungen, die von den Künstlern erfunden werden.
Am wichtigsten für das späteren Interesse der Schülerinnen, das ist mir heute kla-rer als damals, war meine Begeisterung, die vor der Klasse gar keinen Zweifel daran aufkommen liess, dass an Judd irgendetwas uncool sein könnte. Bevor die SchülerInnen wussten wie ihnen geschah, ging ihr Lehrer davon aus, dass sie sicher auch begeistert sein würden vom Werk dieses Künstlers (Ich will von diesen heiklen An-fangsmomenten jeweils nicht so genau wissen, wie ich das mache, und ich denke, es ist auch besser so).
In der Ausstellung stellte ich den SchülerInnen die Aufgabe, ein ausgewähltes Werk zeichnerisch so zu erfassen, dass "sie es mit zusätzlichen Erklärungen ihren El-tern oder Geschwistern erklären könnten". Da die 11-Jährigen noch wenig Erfahrung mit räumlicher Darstellung hatten, war diese Aufgabe eine Überforderung, welche aber durch den Zusatz "man darf auch noch zusätzlich erklären" sowie durch meine Bemerkung, dass mir die "Unmöglichkeit der Lösung der Aufgabe bewusst sei" gemildert respektive zu einer locker zu nehmenden Herausforderung gewendet wurde. Mit ein paar Tipps zu parallelperspektivischer Darstellung und zu den Hauptrissen machten sich die SchülerInnen eifrig an die Arbeit. Wir trafen uns dann vor der grössten Serie aus Holzkisten, die eine ganze Wand bedeckten. Dort wurden die Zeichnungen kurz gegenseitig begutachtet und einzelne Erklärungsversuche angestellt. An der grossen Serie versuchten wir schliesslich, die darin steckende Regel zu knacken, was die SchülerInnen wie einen Wettbewerb betrieben. Eine These nach der andern wurde aufgestellt und wieder verworfen, wenn jemand einen Bruch zur real umgesetzten Ordnung entdeckte. Schliesslich brachte es eine Schülerin auf den Punkt: "Der hat doch ganz einfach gemacht was er will!"
In der Schule schlossen sich zwei gestalterische Arbeiten an: "Bauen wie Judd" und "Rappen mit Judd". In der Ausstellung gab es viele Objekte, die aus vorgefertigten, aber von Judd entworfenen Teilen bestanden. Mit ihnen konnte er dann "spielen", das heisst kombinieren, addieren usw. Die SchülerInnen stellten nun in der Schule farbige Karten her, die sich an ihren gefalzten Rändern mit Büroklammern aneinander befestigen liessen. Da alle gleich gross und doppelt so lang wie breit waren, konnten die SchülerInnen die Elemente längs und quer zusammenhängen und sie unterein-ander austauschen. Zuerst wurden in kleinen Gruppen räumliche Objekte gebaut; zunehmend begannen die Gruppen sich zusammenzutun, um ihre Objekte zu vergrössern und zu variieren. Ein weitgehend selbst organisierter Marktplatz entstand, Architekturbüros bildeten sich und lösten sich wieder auf. Zum Schluss blieben etwa sechs Objekte übrig, die die SchülerInnen zu einer Installation im Schulhauskorridor aufstellten.
Die Form, Grösse und Verbindungsmöglichkeit der Elemente hatte ich der Klasse vorgegeben und ihnen erklärt, dass diese auch hätten anders aussehen können. Die Regeln des Spiels damit hatten sie spontan entwickelt. Bei einer etwas älteren Schul-klasse könnte man sicher auch noch die Erfindung der Elemente den Schülerinnen übertragen. Dies würde aber eine viel abstraktere Vermittlung des Gestaltungsprinzips erfordern und entsprechendes Verständnispotential voraussetzen.
"Rappen mit Judd" - der Name sagt es - entfernte sich weiter vom minimalistischen Ansatz Judds. Hier wurde die reflexive Farbe, die wir bei vielen seiner Elemente gefunden hatten, experimentierend nachvollzogen; um sie zu erleben und zu verstehen. Nach einem einfachen Schnittmuster konnte ein Objekt Judds en miniature aus weissem Papier nachgebaut werden: quadratische Papierkästchen, in die senkrechte und schräge Lamellen eingefügt wurden. Die senkrechten Flächen wurden mit farbigem Papier beklebt, waren aber von vorne nicht sichtbar. Ihre Farbe wurde von den schrägen, von vorne sichtbaren Lamellen reflektiert, wodurch mysteriös wirkende Pastelltöne entstanden, die je nach Winkel des Lichteinfalls stark variierten. Die SchülerInnen waren fasziniert von dem Lichtspiel und meinten zuerst, sie hätten so was noch nie gesehen. Mit der Zeit sahen und begriffen sie dann, dass solche Farbreflexe etwas ganz Alltägliches sind, das wir aber oft übersehen.
Um mit den vielen entstandenen Objekten wiederum Kombinationsspiele durchführen zu können, stellte ich ein paar vorgefertigte "Spielbretter" zur Verfügung, zwi-schen deren Brettchen man die Papierdinger stecken und verschieben konnte. Da die SchülerInnen damit sehr dynamisch umgingen, schlug ich ihnen vor, die Veränderungen mit der Stop-Motion-Technik zu kurzen Animationssequenzen zu montieren. So entstand - unterlegt durch die Musik, welche die Kinder mitbrachten, und nicht ganz ernst gemeint - "Rappen mit Judd".
Hätte Judd das lustig gefunden? Darf man sich in der Kunstpädagogik auf diese Weise der Kunst bedienen? Hat das, was die SchülerInnen meiner Klasse hier machten und begriffen, etwas mit dem Wesen der Kunst von Judd zu tun? Ich habe im Schulalltag ja nicht die Möglichkeit, solchen Fragen seriös genug nachzugehen, geschweige denn, sie mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Ich würde deshalb nach der bisher gemachten Reflexion, und immer noch intuitiv, sagen: Bei "Bauen mit Judd" ist für mich der Zusammenhang mit Wesentlichem an Judds Kunst klar gegeben. Diese Arbeit würde ich gleich oder ähnlich auch wieder machen. Bei "Rappen mit Judd" haben die SchülerInnen zu Judds Werk nur noch die reflexive Farbe neu entdeckt. Dies hätte man auch ganz anders und mit mehr Vertrauen auf die Erfindungsgabe der SchülerInnen machen können. Das Filmen wiederum haben sie zwar gelernt, aber an einem doch sehr einschränkenden Gegenstand. Fazit: das würde ich so nicht mehr machen. Die Arbeit gehört zur Kategorie "Steinbruch", das heisst, darin stecken Ansätze für noch zu viele Arbeiten.

3. Beispiel: Neuer Pausenkiosk
Michele Cordasco: Wollen wir etwas an der Wand, oder wollen wir etwas im Raum?
SchülerInnen: Im Raum! An der Wand! Im Raum, an der Wand! Raum! Wand! Raum, Wand! - Abstimmen!
Michele Cordasco: Nein, da stimmen wir nicht ab. Über solche Sachen muss man nicht abstimmen. Abstimmen, das heisst immer, es gibt solche, die vielleicht Recht haben, sie sind aber in der Minderheit. Und dann drückt man sie durchs Abstimmen so in ein Ecke, dass sie sich nicht mehr trauen zu sagen, wofür sie eigentlich waren. - Herausfinden! Herausfinden: Im Raum, oder an der Wand? Kannst du das Bild nochmals zeigen mit dem Modell?


Dieser Dialog wurde während der Präsentation von Modellen für einen neuen Pausenkiosk in unserem Schulhaus aufgezeichnet. Die SchülerInnen der Klasse - inzwischen der 3. Klasse - hatten über Wochen zuerst in 3er- und 4er-Gruppen Skizzen gezeichnet, dann Pläne im Massstab 1 : 20 entworfen und schliesslich Modelle aus Karton, Holz und Plexiglas angefertigt. Immer zwei Gruppen taten sich dann zusammen, pickten die besten Ideen heraus und verschmolzen diese zu einem gemeinsamen Modell, so dass noch drei Entwürfe übrig blieben. (Erst jetzt kommt mir in den Sinn, dass sie für diesen Ablauf bereits bei "Bauen mit Judd" trainiert hatten, ohne dass sie und ich sich dessen bewusst gewesen wären). Nun war der entscheidende Moment des Projekts gekommen: der Präsentations-Nachmittag, bei dem die Vorzüge der drei Modelle dem Künstler Michele Cordasco vorgestellt wurden. Seine Reaktionen und Rückmeldungen sollten die endgültige Entscheidung für das beste Modell einleiten.
Michele Cordasco ist ein in Basel lebender Künstler, der sich selber "Stein-Bildhauer und Sozialplastiker" nennt. Ich hatte ihn bei diesem Projekt beigezogen, weil seine Arbeit "Lichtpunkte" (Wettbewerbsauftrag des Kunstkredits Basel-Stadt, 1997) durch den alten, vom Schulwart gebauten Pausenkiosk teilweise verdeckt worden und - als sehr diskrete Intervention in die Architektur des Schulhauses - allgemein in Vergessenheit geraten war. Als ich der Klasse vorschlug, sie könnte als Projekt einen neuen "Wegglistand" (Weggli = Brötchen) bauen, erhob ich die Suche nach einem neuen Standort für den Kiosk und die Auseinandersetzung mit dem vergessenen Kunstwerk von Anfang an zu einem Teil der Rahmenbedingungen. Diese wurden gemeinsam mit allen Beteiligten ausgehandelt (mit dem Erziehungsdepartement, der Schulhausleitung, dem Schulwart, der Klasse, und mit mir als Lehrer und Projektleiter) und dann in einer Grundsatzabstimmung bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt hatte der Rahmen den verbindlichen Charakter eines Vertrags.
Cordasco kam ganz zu Beginn des Projekts ein erstes Mal in die Klasse und stellte seine Arbeit "Lichtpunkte" vor. Er schilderte sehr lebendig, wie er auf die Idee gekommen war, die Löcher der so genannten Binder im Beton so zu verändern, dass der Eindruck entstand, in jedem Loch stecke eine leuchtende Glasmarmel. Ein Schüler beschrieb das Werk in seinem Projekttagebuch und übernahm Verantwortung für dessen Reinstallation:
"Als das Schulhaus gebaut wurde, hatte man einen Wettbewerb veranstaltet an dem alle Künstler teilnehmen konnten. Jeder Künstler stellte ein Kunstwerk vor, welches das Schulhaus verschönern sollte. Das beste Kunstwerk kam von Michele Cordasco. Er hatte die Idee, die rechte Betonmauer beim Eingang des Schulhauses zu verschönern, in dem er Glasstäbe in die Mauer steckte, die die Sonnenstrahlen von draussen auffingen und in das Schulhaus warfen, so dass die Betonmauer jetzt viel luftiger aussieht. Da jetzt aber der Wegglistand an der Mauer von Michele Cordasco steht und das Schild fehlt auf dem der Name des Künstlers geschrieben ist, muss er jetzt von dort entfernt werden und an einen anderen Ort platziert werden. Unsere Aufgabe besteht darin den Wegglistand zu erneuern und von der Mauer des Künstlers wegzunehmen und dafür zu sorgen, dass das Schild erneuert wird."
Nach Cordascos Präsentation waren die Schüler sehr beeindruckt vom Zusammenhang zwischen der vorgefundenen Situation am Bau, der intensiven Auseinandersetzung des Künstlers damit und seinem Ringen um einen minimalen Eingriff mit maximaler Wirkung. Nicht zuletzt imponierten ihnen die zu überwindenden technischen Schwierigkeiten, die dadurch verursacht wurden, dass die Betonmauer eigentlich aus zwei Mauern besteht, die sich wegen den Temperaturunterschiede zwischen innen und aussen bis zu acht Millimetern gegeneinander verschieben können und dadurch die Glasstäbe zu zerbrechen drohten. Auch dafür hatte der Künstler-Tausendsassa eine Lösung durch Tüfteln gefunden. Die Schüler hatten nach dieser Begegnung Lust mit dem Entwerfen des Kiosks zu beginnen und akzeptierten auch meinen Vorschlag gerne, den Künstler als Experten für die Entscheidung beizuziehen.
In der Präsentation vor dem Künstler staunte ich über die hohe Konzentration und das Bemühen um präzise Formulierungen bei den SchülerInnen. Es war offensichtlich, dass sie vom "Experten, der von aussen kam", sehr kritische Fragen erwarteten - vielleicht auch befürchteten - und dass sie seinen Einwänden schon zum Voraus we-nig Angriffsfläche bieten wollten.
"Das ist der Wegglistand von meiner Gruppe. Wir haben auch, wie sie, eine ganz andere Farbe genommen als sie eigentlich sonst im Schulhaus vorkommt. Wegen dem Gedränge haben wir uns gedacht: man siehts hier ganz klar (es ist ähnlich wie ein Kiosk) von welcher Seite man bedient wird und von welcher nicht. Also wirklich nur hier. Das Gedränge wollen wir verhindern, indem man eben die Weggli einfach sieht und dann beruhigt ist: es hat noch genug, oder es hat halt keine mehr. Dann steht man vielleicht gar nicht mehr an. Stehlen ist hier unmöglich, und innen ist genug Platz für die Verkäufer. Sie können problemlos aneinander vorbei und sie können gut verkaufen." (Schüler, 12 J.; Transkript der Videoaufzeichnung)
"Dies ist das Modell von unserer Gruppe. Es steht auch an der blauen Wand. Und hinten haben wir eine Schutzwand gebaut, damit die blaue Wand geschützt ist. Hier drin hat es eine Ablage für die Weggli, mit Scheiben davor. Innen stehen drei Personen: eine schaut zum Geld und die beiden andern verkaufen auf der Seite. Wir haben es dreieckig gemacht, weil, wenn hier eine Person verkauft und hier eine, dann glaube ich nicht, dass jemand hier vorne anstehen wird. Es werden sich also wie zwei Kolonnen bilden. Wir haben gedacht, das wäre vielleicht eine Lösung, damit das Gedränge nicht mehr da ist." (Schülerin, 12 J.; Transkript der Videoaufzeichnung)
Wie die SchülerInnen bei der ersten Begegnung mit Michele Cordasco erfahren hatten, nahm er als professioneller Künstler kein pädagogisches Blatt vor den Mund. Er konnte schon mal ein Modell mit den Worten auf die Seite stellen: "Das funktioniert nicht". Später nahm er es dann wieder, um einen Vorzug daran zu entdecken, den andere Modelle nicht hatten. Die SchülerInnen gingen davon aus, dass die "fusionierten" und zuletzt entstandenen Modelle die "besten" oder zumindest die "wichtigsten" seien, hinter die man nun nicht mehr zurückgehen dürfe. Cordasco scherte sich einen Deut um diese Hierarchie und holte immer wieder die "alten" Modelle hervor, um aufgegebene gute Ideen zurück in die Diskussion zu bringen. Er lehnte ein "demokratisches" Evaluationsverfahren kategorisch ab und bezeichnete solche Entscheidungen als untauglich für ästhetische und soziale Fragen. "Herausfinden" müsse man das Beste, herausfinden durch genaues Hinschauen, Vergleichen, Kombinieren des Guten und Ausscheiden der Fehler.
Schliesslich war eine kleine Gruppe von SchülerInnen bereit, mit mir in der Freizeit abzumachen um die Notizen aus diesem Prozess zusammenzuführen in ein letztes, endgültiges Modell. Dieses wurde dann der ganzen Klasse zur Genehmigung vorgelegt. Die Farbe ermittelten die Schüler auf einer Plankopie, wobei wir dann aus zeit-ökonomischen Gründen die beste Variante mit Punkten ermittelten. Alle wesentlichen Elemente des Kiosk stammten von den SchülerInnen, wobei es sich um zum Teil sehr ausgefeilte Design-Ideen handelte: der trapezförmige Grundriss, der die Anstehenden teilen soll und im Innern die Funktionen Kasse / Bedienung voneinander trennt; der Eingang von hinten, durch den man den Kiosk nur betreten kann, wenn man ihn nach vorne rollt (also nicht während des Ansturms, der ihn an die Wand drückt); die Ablageflächen mit den schrägen Drahtgläsern davor, bruchsicher und so hoch, dass man die Brötchen sieht, aber nicht stehlen kann; das frische Orange, welches einen schönen Kontrast zu den kühlen Farben des Schulhauses bietet.
Die Ausführung des Kiosks ausführlich zu schildern würde hier zu weit führen. Nur so viel: Wir bekamen vom Erziehungsdepartement genügend finanzielle Mittel, um hochwertiges Material und die Zusammenarbeit mit einer nahe gelegenen Schreinerei bezahlen zu können. Im Sinne des "ausserschulischen Lernens" wurde ein Besuch in der Schreinerei integriert. Zwei Mädchen halfen an einem Nachmittag in dem Be-trieb beim Zurechtschneiden der Platten; eine grössere Gruppe bemalte die noch unmontierten Teile in der Schule, eine dritte setzte sie mit einem Zimmermann zusammen. Es gab eine festliche Übergabe ans Schulhaus in einer 10-Uhr-Pause, bei der auch die Modelle und Zeichnungen zu besichtigen waren. Das vergessene Kunstwerk wurde wieder in Erinnerung gerufen und auf das in der Zwischenzeit vom Kunstkredit erneuerte Schild und den Künstler hingewiesen.
Der Kiosk hat sich bewährt. Einige der von den SchülerInnen antizipierten Anforderungen wurden dank ihres Designs erfüllt: es ist fast unmöglich zu klauen, niemand kann während dem Verkauf in den Kiosk hinein, die Schlangen und das Gedränge ha-ben sich etwas verteilt. Lediglich die Abdeckflächen mussten nach relativ kurzer Zeit renoviert werden, was aber auf einen Fehlentscheid der Schreiner zurückging.
Wie geht Lernen, so dass Bildung daraus wird? Ich habe in meiner Berufssozialisation eine Tendenz entwickelt, ästhetische Erfahrung und Erkenntnis auch im Deutschunterricht oder im Rahmen ausserschulischer Projekte zu suchen. Mit aus-serschulischem Lernen meine ich ein Prinzip, nach dem der Lehrer die früher oder später einsetzende und gewünschte Ablösung der SchülerInnen zunehmend in den Unterricht hinein nimmt oder besser: aus diesem heraus einleitet. Die SchülerInnen werden mit ihren Ideen und Fragen immer weniger auf die Möglichkeiten der Fächer und Lehrpersonen zurechtgestutzt, sondern zu den dafür zuständigen Fachpersonen, Orten und Institutionen ausserhalb der Schule geleitet. Zukünftige Berufsfelder der SchülerInnen können dabei eine Rolle spielen; vor allem geht es aber darum, die Ziele zu verfolgen, welche auch bei Eva Voermanek und Silke Wissmann als entscheidend für den Bildungsprozess angegeben werden, von denen aber nur der letzte spezifisch ist für die Auseinandersetzung mit Kunst.
Entscheidend für die Wirksamkeit bei der Bildung junger Menschen sind beim ausserschulischen Lernen nach meiner Erfahrung die gleichen Faktoren wie bei der ästhetischen Erfahrung:
- die Begegnung mit, oder das "Hereinbrechen" von didaktisch nicht oder kaum "vorgeformten" Personen, Inhalten, Orten, Situationen und sozialen Konstellationen
- die Unbezähmbarkeit und Komplexität der Situationen und der daraus folgenden Fragen; die daraus zwingend folgende Erkenntnis, dass es ein totales, endliches Wis-sen nicht gibt.
- die unmittelbare Begegnung mit Differenzen
- die Unvoraussagbarkeit, ob "es gelingen wird", ob die SchülerInnen auf das Hereinbrechende "antworten" werden (nach Sabisch)
Bei der ästhetischen Erfahrung bezieht sich die Begegnung üblicherweise auf die Natur oder die Kunst. Selbstverständlich lassen sich deshalb im Rahmen von ausser-schulischem Lernen auch ästhetische Erfahrungen machen und umgekehrt. Beides zusammen heisst - vereinfacht am Beispiel der Kunstbegegnung gezeigt - dass sich die SchülerInnen nicht nur mit dieser oder jener Künstlerin und ihrem Werk ästhetisch erfahrend auseinandersetzen, sondern sie auch in ihrem Atelier besuchen und erleben, wie es dort aussieht und riecht, wie sie über ihre Arbeit spricht, wie "normal", "schräg", verschieden KünstlerInnen sein können etc. Natürlich ist dafür nicht jeder Künstler zu haben. Bei einem Projekt "SchülerInnen besuchen KünstlerInnen" meiner Kollegin Mona Ebneter (2006) waren aber 15 Künstlerinnen und Künstler der Region Basel bereit, Schülergruppen in ihrem Atelier zu empfangen, ihnen über ihre Arbeit zu erzählen und sie jeweils auf eine für ihre künstlerische Produktion typische Weise ästhetische Erfahrungen machen zu lassen. Diese wiederholten die Kinder wiederum in der Schule mit der Klasse. Einige Künstler liehen für die Ausstellung der im Projekt entstandenen Schülerarbeiten sogar eigene Werke aus.
Das Projekt "Neuer Pausenkiosk" war nach der Beschreibung Karl Freys ein idealtypisches Projekt mit allen Komponenten. Die Konzeption "Projektunterricht" wurde schon in den französischen und italienischen Kunstakademien entwickelt um die komplexen Bildungsprozesse junger Architekten einigermassen steuerbar zu gestalten. In den Reformbewegungen der Pädagogik in Deutschland, Amerika und Russland ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum zweiten Weltkrieg wurde sie wieder entdeckt und weiter entwickelt. Man erhoffte sich vom "Projektunterricht", dass sich damit dem Dilemma zwischen Steuerung und Loslassen, auch zwischen Belehrung und selber Entdecken in Bildungsprozessen auf adäquate Weise beikommen liesse. Nach meiner Erfahrung in eigenen Projekten und in der Vermittlung der Unterrichtskonzeption über mehrere Jahrzehnte ist dies möglich. Man kann damit ausserschulisches Lernen verantwortlich anzetteln und leiten, es lassen sich epochaltypische Schlüsselthemen (nach Klafki) ohne Haare sträubende Banalisierung bearbeiten und man kann damit ästhetische Erfahrungen im schulischen Rahmen ermöglichen. Aber: man kann nicht immer und nur so unterrichten. Nach so "grossen Kisten" unter den Projekten, zu denen ich anstifte, denke ich manchmal: "Nie wieder!" Nach einiger Zeit des Verdrängens bin ich dann wieder so weit - "lernunfähig"! (nach Pazzini in: Forum Modul 12, 21. 05. 08)

Literatur:

- Sabisch Andrea, Kunstpädagogik und Ästhetische Erfahrung, Vorlesung, Hamburg 2008 (aus: Modul 12, Virtuelle Phase II, Materialien)
- Peez, Georg: Ästhetische Erfahrung -Strukturelemente und Forschungsaufgaben im erwachsenenpädagogischen Kontext. In: Nittel, Dieter/ Seitter, Wolfgang (Hg.): Die Bildung des Erwachsenen. Erziehungs- und sozialwissenschaftliche Zugänge. Festschrift für Jochen Kade. Bielefeld (Bertelsmann) 2003, S. 249-260
- Frey Karl, Die Projektmethode, 8. Auflage, Beltz, 1998
- Voermanek Eva, Wissmann Silke, "Künstlerische Prozesse bei SchülerInnen und LehrerInnen , Kassel, University Press 2004 (Modul 12, Präsenzphase)
- Legler Wolfgang, ...weil es die Schönheit ist, durch welche man zur Freiheit wandert, BDK-Mitteilungen 2 / 95 (Modul 12, Virtuelle Phase I, Materialien)

Dokumentation der besprochenen Arbeiten:
- www.mal.ch